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03. Okt. 2024
Datengesteuerte Nachhaltigkeit: Neue Wege im Destinationsmanagement
Künstliche Intelligenz
Digitalisierung
Wie können wir Tourismus nachhaltiger gestalten? Das Projekt "Data-driven Tourism for Sustainability" nutzt Künstliche Intelligenz und agentenbasierte Modellierung, um diese Frage zu beantworten. In einem Gespräch mit Stefanie Wallinger von der FH Salzburg erfahrt ihr, wie digitale Technologien Besucherströme simulieren und optimieren können. Von der historischen Altstadt Salzburgs bis zur ländlichen Region Bruck/Fusch zeigt das Projekt innovative Wege auf.
Heute möchte ich euch ein spannendes Projekt vorstellen, das sich mit der Zukunft des nachhaltigen Tourismus beschäftigt: "Data-driven Tourism for Sustainability". Dieses Projekt verbindet auf innovative Weise Nachhaltigkeit im Tourismus mit datengestützter Entscheidungsfindung.
Um mehr über diese Initiative zu erfahren, habe ich mich mit Stefanie Wallinger von der FH Salzburg unterhalten. Die Fachhochschule war einer der Partner in diesem Projekt, das Künstliche Intelligenz und agentenbasierte Modellierung einsetzt, um nachhaltige Lösungen für den Tourismus zu entwickeln.
In diesem Beitrag teile ich mit euch die wichtigsten Erkenntnisse aus unserem Gespräch. Ihr werdet erfahren, wie dieses Projekt die Zukunft des nachhaltigen Tourismus beeinflussen könnte. Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, findet auf der offiziellen Projektwebsite https://project-dts.eu/ weitere Details.
Stefanie, kannst Du uns einen Überblick über das Projekt "Data-driven Tourism for Sustainability" geben? Was sind die Hauptziele und wer sind die beteiligten Partner?
Stefanie: Das Projekt beschäftigte sich über einen Zeitraum von drei Jahren (2021-2024) intensiv mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Agent-Based-Modelling für eine nachhaltige Regionalentwicklung am Beispiel von Besucherströmen in touristischen Destinationen. Neben dem Lead-Partner, der Donau Uni Krems (Department for E-Governance and Administration) mit Projektleiter Dr. Thomas Lampoltshammer, unterstützte ein Team der TU Graz das Projekt als weiterer Hochschulpartner. Als Technologiepartner mit Expertise im Bereich KI war Datenvorsprung mit an Bord, genauso wie Nexyo als Expert*in im Bereich Datenökosysteme.
Ziel war es einerseits eine skalierbare Datenaustauschplattform zu erstellen und andererseits das authentische Mobilitätsverhalten von Tourist*innen innerhalb zwei ausgewählter Pilotregionen anhand vorliegender Date zu erlernen und zu simulieren. Um im besten Fall „Was-wär-wenn“-Szenarien zu modellieren, die in Zukunft Entscheidungsträger*innen dabei helfen können, datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
Wie kam die Idee zu diesem Projekt zustande und welche Wirtschaftspartner hattet ihr um es in der Praxis umzusetzen?
Stefanie: Als Anwendungsfall wurden bewusst zwei Regionen mit unterschiedlichem technologischem Reifegrad gewählt. Auf der einen Seite hat man mit der Stadt Salzburg eine Destination mit einem reichen „Datenschatz“. Also eine Stadt mit sehr hoher Frequenz und dichtem touristischem Angebot. Auf der anderen Seite ist Bruck/Fusch eine ländliche Destination im Nationalpark Hohe Tauern, das oft nur am Weg zur Großglockner Hochalpenstraße passiert wird.
Dieser Unterschied zwischen den Regionen zeigt sich auch in der Quantität der Daten. In der Stadt Salzburg liefern vor allem die Daten der SalzburgCard Einblick in das Besuchsverhalten von 30 touristischen Attraktionen. So lässt sich beispielsweise erkennen in welcher Reihenfolge Tourist*innen verschiedene Sehenswürdigkeiten in Salzburg besuchen, welche Verweildauer sie dort haben oder an welchen Wochentagen sie bevorzugt besucht werden. Ergänzt werden diese Daten mit Informationen aus der Nächtigungsstatistik. Wie viele Personen haben beispielsweise wann in welchem Hotel übernachtet. Alle weiteren Informationen kommen aus einem KI-Modell.
Welche Datenquellen nutzt Ihr für Eure Simulationen und wie werden diese Daten gesammelt?
Stefanie: Aktuell greifen die Simulationen rein auf historische Daten zurück. Das Ganze lässt sich allerdings unendlich erweitern. Interessant wären beispielsweise auch Wetterdaten oder Mobilfunkdaten umso auch Tourist*innen abseits der SalzburgCard zu erfassen oder die Bewegungsmuster der lokalen Bevölkerung darzustellen.
Kannst Du näher erläutern, wie Künstliche Intelligenz in Eurem Projekt eingesetzt wird?
Stefanie: Ein KI-Modell verdichtet die Informationen aus der Datengrundlage und definiert für jede*n einzelne*n Agent*in, also Tourist*in, seinen spezifischen Weg, den er*sie innerhalb eines Tages in der Destination zurücklegt. Aus den Informationen über Hotelübernachtungen, Öffnungszeiten von Attraktionen, soziodemografischen Daten, dem Verkaufsort und die Nutzung der SalzburgCard, wird dann quasi für jeden Punkt in der Simulation ein eigener Weg definiert. Das KI-Modell trägt hier im ganz wesentlich zur Authentizität dieser Bewegungsmuster bei. Wobei diese Verhaltensmuster natürlich auch entsprechend validiert werden müssen. Dazu wurden innerhalb des Projekts unter anderem Tourismusexpert*innen aus den jeweiligen Pilotregionen hinzugezogen.
Wie hilft die KI dabei, die Bewegungen der Tourist*innen zu simulieren und welche Vorteile bietet dies im Vergleich zu traditionellen Methoden?
Stefanie: Ein klarer Vorteil zu traditionellen Modellen besteht darin, dass agentenbasierte Simulationen evidenzbasierte Auskünfte liefern. Wie eingangs erwähnt, lassen sich zum Beispiel „Was-wäre-wenn“-Szenarien simulieren, die dann als Grundlage für Entscheidungen genutzt werden können. Möchte man beispielsweise ein neues Museum in einer Stadt eröffnen, so könnte man die Simulation dazu nutzen verschiedene Standorte zu evaluieren, indem man beobachtet wie sich das Mobilitätsverhalten der Agent*innen im Modell verändert. Ziel des Projekts war es vor allem die Möglichkeiten von agentenbasierten Modellen im Tourismus anhand von Besucherströmen in zwei ausgewählten Pilotregionen aufzuzeigen. Je mehr Daten man einspeist, desto genauer wird es natürlich.
Welche Arten von Algorithmen und maschinellen Lerntechniken kommen in Euren Modellen zum Einsatz. Vielleicht kannst du kurz die Modellierungsansätze erklären und warum ihr euch dafür entschieden habt.
Stefanie: Wir haben uns für Agentenbasierte Simulationen (ABS) entschieden. Diese spielen sich immer innerhalb eines zeitlich und räumlich begrenzten Raumes mit einer sich ändernden Anzahl an Akteur*innen ab, deren Verhalten durch gewisse Regeln definiert wird. Je nach Modell können die Agent*innen dann beispielsweise ihr Verhalten aufeinander abstimmen, voneinander lernen und auf Reize in ihrer Umgebung reagieren. Ein*e Agent*in in der Stadt Salzburg könnte sich dementsprechend an einem Regentag anders verhalten als an einem sonnigen Tag und den Besuch bestimmter Attraktionen vom Verhalten anderer Agent*innen abhängig machen oder sich je nach Alter und Geschlecht unterschiedlich entscheiden. Hinzu kommt dann noch ein gewisse Zufallsfaktor, denn auch das menschliche Verhalten ist nicht immer nachvollziehbar.
Interessant wäre es aber beispielsweise auch die KI auf verschiedene Typologien von Tourist*innen in einer Destination zu trainieren. Hier liegt wahrscheinlich auch die Stärke der Methode. Szenarien sind unendlich erweiterbar, je nachdem welche Regeln der*die Modellierer*in hinzufügt.
Wie trägt Euer Projekt zur Förderung des nachhaltigen Tourismus bei?
Stefanie:Die Ziele des Projekts sind hier etwas langfristiger zu denken. Während das Projekt vor allem das Potential von datenbasierten Simulationen aufzeigen soll, so kann es bei weiterem Einsatz aber sicherlich viel zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung beitragen. Innerhalb des Projekts wurde daher ein Nachhaltigkeitskonzept entwickelt, dass sich in Anlehnung an bestehende Tourismusstrategien mit der Skalierbarkeit der Projektergebnisse auseinandersetzt. Darüber hinaus hat unser Team an der FH Salzburg gemeinsam mit der Donau Uni Krems rund 25 Interviews mit Expert*innen aus den Bereichen Tourismus, Datenökosystemen, Mobilität, Forschung und Regionalentwicklung geführt.
Insgesamt helfen agentenbasierte Modelle dabei die Komplexität touristischer Systeme abzubilden und bieten politischen Entscheidungsträger*innen somit zum Beispiel eine Grundlage für Mobilitätskonzepte, von denen sowohl Tourist*innen als auch Einheimische profitieren. Deshalb haben wir in der Pilotregion Salzburg Stadt auch einen starken Fokus auf soziokulturelle Nachhaltigkeit gesetzt. Gerade im Kontext von Mobilität im Städtetourismus braucht es hier Lösungen von denen sowohl Einheimischen als auch Gäste profitieren.
Etwas anders ist das natürlich im ländlichen Raum. Im Falle unserer zweiten Projektregion Bruck/Fusch stellte sich zu Beginn des Projekts die Frage, wie man die Gäste der stark frequentierten Hochalpenstraße auch nach Bruck/Fusch locken könnt bzw. wie man sie zu einer längeren Verweildauer motivieren könnte. Ziel der Simulation war es auch in diesem Fall erst einmal verschiedene Bewegungsmuster aufzuzeigen und diese anhand des Modells zu verstehen. Im Sinne einer nachhaltigen Mobilität, wäre es hier natürlich spannend, auch die Daten verschiedener öffentlichen Verkehrsmittel oder Busgruppen mit einzubeziehen.
Inwiefern können die Ergebnisse Eurer Simulationen die Planung und das Management von touristischen Infrastrukturen beeinflussen, um Nachhaltigkeit zu fördern?
Stefanie: Wie bereits erwähnt liegt auch hier die Stärke in der evidenzbasierten Natur der Simulationen. Als Entscheidungsgrundlage haben Modelle dieser Art ein großes Potential. Zudem könnte man die Simulationen auch direkt an den*die Tourist*in bringen und zum Beispiel mithilfe einer App über starkes Mobilitätsaufkommen bei verschiedenen Sehenswürdigkeiten informieren.
Wie stellt Ihr sicher, dass die von Euch verwendeten Daten anonymisiert und datenschutzkonform sind?
Stefanie: Wir haben nur historische Daten verwendet. Alle Daten waren anonymisiert und es wurden keine personenbezogenen Daten verwendet.
Welche zukünftigen Entwicklungen und Erweiterungen plant Ihr für das Projekt?
Stefanie: Nachdem gerade die Datenlage in unserer ländlichen Pilotregion sehr gering war, wäre es spannend in einem Folgeprojekt den Fokus auf eine größere ländliche Destination wie beispielsweise einen Nationalpark zu richten. Nach den drei Projektjahren wissen wir jetzt was möglich ist, jetzt wäre es natürlich spannend konkret etwas umzusetzen.
Wie siehst Du die Rolle von KI und ABM in der zukünftigen Tourismusforschung und -planung?
Stefanie: Obwohl ABM ein sehr großes Potential mit sich bringt, ist es momentan noch eine eher unbekannte Methode. Ganz anders sieht es da natürlich mit dem Thema Künstlicher Intelligenz aus. Das beherrscht ja momentan jede Diskussion sowohl an der Hochschule als auch in der Wirtschaft. Die größte Schwierigkeit sehe ich momentan allerdings in der fehlenden Expertise. Wie sich auch in unseren Interviews zu ABM herausgestellt hat, fehlt es den Tourismusdestinationen und -betrieben oft am nötigen Know-How. So sitzen sie beispielsweise auf einem wahren Datenschatz, den sie selbst nur sehr begrenzt nützen. Projekte wie das unsere, leisten hier einen ganz wesentlichen Beitrag um Tourismusforschung aktiv mit der Wirtschaft zu verschränken. Gerade im Bereich KI ergeben sich hier viele spannende Anknüpfungspunkte."
Das Projekt "Data-driven Tourism for Sustainability" zeigt eindrucksvoll, wie moderne Technologien und datenbasierte Ansätze den Tourismus nachhaltiger gestalten können. Die Kombination aus Künstlicher Intelligenz und agentenbasierter Modellierung eröffnet neue Möglichkeiten für Destinationen, ihre Besucherströme besser zu verstehen und zu steuern.
Ein herzliches Dankeschön geht an Stefanie Wallinger von der FH Salzburg für ihre Zeit und die wertvollen Einblicke in dieses zukunftsweisende Projekt. Ihr Engagement und das ihrer Kolleg*innen trägt dazu bei, den Tourismus fit für die Herausforderungen von morgen zu machen.
Projekte wie dieses erinnern uns daran, dass Nachhaltigkeit und Innovation Hand in Hand gehen können. Sie inspirieren uns, weiter nach kreativen Lösungen zu suchen, die sowohl den Bedürfnissen der Reisenden als auch denen der Destinationen und ihrer Bewohner*innen gerecht werden.
Ich hoffe, dieser Einblick in "Data-driven Tourism for Sustainability" hat auch euch inspiriert und neue Perspektiven eröffnet. Lasst uns gemeinsam an einer nachhaltigen Zukunft des Tourismus arbeiten!
Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!
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