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21. Okt. 2024
HI statt KI: Smarte Prozesse brauchen smarte Hoteliers
Künstliche Intelligenz
Digitalisierung
KI ist heute fast überall, aber effektiv nur dort wo sie zielgerichtet nach unternehmerischer Planung implementiert wird. Hier sind ausgereifte und alltagstaugliche Anwendungsfälle für HI, also die menschliche Intelligenz.
Ich habe in der Praxis bereits ausgereifte, alltagstaugliche Anwendungsfälle für HI gefunden, die du für deinen Betrieb umsetzen kannst.
Prozessplanung mit HI in 5 Schritten
Horrorszenario Iterieren: Deine Ausgangslage ist ein unhandlicher Prozess, der dein Personal Zeit und Nerven kostet. Iteration 1: Du digitalisierst den Prozess. Du hast jetzt einen umständlichen, digitalen Prozess, der Zeit und Nerven kostet und zu regelmäßigem Streit mit der IT führt. Iteration 2: Du setzt künstliche Intelligenz im Prozess ein. Du hast jetzt einen unangenehmen, digitalen, KI-gestützten Prozess, der viel Geld, Zeit und Nerven gekostet hat, und alle sind stinksauer auf die IT. Iteration 3: Du gehst zurück zum Anfang und wendest zuallererst deine menschliche „Hoteliers-Intelligenz“ auf das Problem an!
Halte inne: Statt Druck auf die IT, den Anbieter und die Anwender zu machen, nimm dir die Zeit zu analysieren. Ist es ein relevanter Kernprozess? Wo schafft der Prozess Mehrwert – für deine Gäste, dein Personal, dich selbst? Wozu dient dieser Prozess und warum existiert er in seiner aktuellen Form? Beginne mit dem Prozess selbst, die optimale Umsetzung kommt erst später.
Hotelpersonal einbinden: Egal ob es ein operativer, administrativer oder kreativer Prozess ist, nutze zuerst deine eigenen Ressourcen. Die individuellen Fähigkeiten, Interessen und Erfahrungen derjenigen, die viele deiner Interessen teilen, die Herausforderungen kennen und täglich mit deinen Gästen in direktem Kontakt sind – deine Teammitglieder. Lade dein Team ein, gemeinsam innovativ an einer Lösung zu arbeiten, von der jeder Einzelne sowie auch der Betrieb Vorteile hat. Zusätzlich trägt es zur Bindung und Motivation von Mitarbeitern bei, wenn du ihnen die Möglichkeit gibst, ihre eigenen Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern und für ein positives Ergebnis Anerkennung und Wertschätzung vom Unternehmen, Team und Gästen zu bekommen. Die Akzeptanz der finalen Prozesse ist durch frühzeitige und aktive Einbindung gesichert.
Handle individuell: Entscheide, welche Prozesse du möchtest – für manche empfiehlt es sich, diese grafisch darzustellen, als Flussdiagramm, Mind Map oder Entscheidungsbaum. Danach, welchen Nutzen und Zusatznutzen diese bieten sollen und wie sie zum Team und zum Betrieb passen. Auf dieser Grundlage optimierst du entweder den ursprünglichen Prozess oder kreierst einen neuen. Erst danach beginnst du mit der Recherche nach Anbietern, die Lösungen für genau deinen Bedarf haben. Sortiere Anbieter frühzeitig aus, die sich nicht die Zeit nehmen, von dir eine Vielzahl von Informationen einzuholen und im Gegenzug technische Details ihrer Produkte bekanntzugeben, denn um „von der Stange kaufen“ zu können, muss man trotzdem vorher die richtige Größe bestimmen – „one size fits all“ ist gerade in der Hotellerie noch unwahrscheinlicher anzutreffen als in Mode-Wühltischen. Bleib offen dafür, Teile der Prozesse flexibel anzupassen oder verbundene Systeme zu verändern, um mit der für dich besten Lösung arbeiten zu können.
Hotelberater-Intervention: Lass dich nicht aufhalten, wenn nichts mehr geht. Bevor du dich mit einem typisch österreichischen „permanenten Provisorium“ zufriedengibst oder den begonnenen Weg ganz aufgibst, nutze externe Ressourcen. Vorausgesetzt, dieser ist unabhängig und die Kosten abschätzbar, kann dir ein Experte von außen nicht nur Erfahrungswerte, sondern oft auch frische Blickwinkel auf altbekannte Prozesse bieten.
Visualisiere es an einem Beispiel: Da der Check-In-Prozess sowieso immer dafür zitiert wird, darf ich hier den Check-Out-Prozess (Abreise und Abrechnung) verwenden, um den Eindruck zu vermeiden, nur Anreise und Zusatzverkauf böten sich für automatisierte Lösungen an:
Ausgangslage: Die Rezeption hat bislang manuell kassiert. Herausforderungen waren Fehler in den Abrechnungen, Wartezeiten für die Gäste, Korrekturen an Rechnungen, Einsprüche gegen manuelle Kartenbelastungen. Neu hinzugekommen ist die Notwendigkeit, die Öffnungszeiten der Rezeption zu reduzieren und gleichzeitig dem Wunsch nach Reduktion ortsgebundener physischer Vorgänge, mehr persönlichem Service und individuellerer Kommunikation nachzukommen.
Iteration 1: Ein Online-Zahlungsdienst wurde an das PMS angebunden und Zahlung sowohl im Voraus als auch nach Abreise ermöglicht. Fehler in den Abrechnungen, Korrekturen und Einsprüche sind durch blindes Verlassen auf die „Automatisierung“ angestiegen, die Gäste rufen außerhalb der Rezeptionszeiten die Notfallnummer an, sobald ihnen die Herkunft eines Packerls Mannerschnitten nicht mehr erinnerlich ist. Die Transaktionskosten sind höher als bei manuellen Transaktionen. Die IT soll sich dafür rechtfertigen, warum das System nicht den versprochenen Nutzen hat.
Iteration 2: Ein KI-gestütztes CRM („Customer Relationship Management“) Programm mit Chatbot wird zwischen Zahlungsdienst und PMS geschaltet, um die Kommunikation mit dem Gast zu verbessern und häufige Fragen zu beantworten. Fehler der Gäste bei der selbständigen Buchung verschiedener Zusatzleistungen summieren sich mit den Fehlern in den Abrechnungen, der Chatbot ist nicht dafür ausgelegt, Korrekturen und Einsprüche zu bearbeiten, und außerhalb der Rezeptionszeiten gibt der Chatbot vorrangig den Rat, die Notfallnummer anzurufen. Die Investitionskosten belasten die Liquidität. Der Leiter der IT ist zum Rapport vor den Eigentümern bestellt, da überdies noch der Wartungsaufwand steigt und operative Einsparungen ausbleiben.
Klingt das irgendwie bekannt? Hast du eine ähnliche Leidensgeschichte vom Nachbarn gehört und dir danach geschworen, die Hände von allem zu lassen, das digital oder künstlich intelligent ist? Dass Check-In, Check-Out und Gästekommunikation von Automatisierung profitieren, will ich aber nicht in Frage stellen – ich rate ganz im Gegenteil dazu, nach möglichst viel Automatisierung zu streben und dazu die besten verfügbaren Hilfsmittel zu nützen.
Effizienz prüfen
Doch wie jede wirkungsvolle, innovative Maßnahme bergen Digitalisierung und künstliche Intelligenz Risiken: zum Beispiel vorschnelle Umsetzung oder von der Maßnahme quasi wundersame Fähigkeiten zu erwarten. Schlimmstenfalls eine Kombination aus beidem. Und zugegeben, es ist verlockend! Angefangen bei den Entwicklern, die (zu Recht!) stolz auf ihre Entwicklung sind, über Medien und Soziale Medien, die zu plakativer Vereinfachung neigen, bis zu Unternehmern, die damit ihr Geschäft machen, hört man Lobgesänge auf diese Allheilmittel für die Sorgen der Hoteliers. Gepaart mit der schwerwiegenden Mahnung der Wirtschaftswissenschaftler, sich nicht im Rennen um die Digitalisierung abhängen zu lassen, kann das den einen oder anderen Fehlstart auslösen – im Vertrauen darauf, dass eine künstliche Intelligenz sicher wissen werde, was zu tun sei.
Die Crux ist diese: Künstliche Intelligenz ist ein Widerspruch. Während im Englischen „intelligence“ auch Bedeutungen wie erworbenes Wissen, Verstehen etc. hat, ist der deutsche Begriff auf das (menschliche) Lebewesen bezogen. Künstliche Intelligenz in der uns zur Verfügung stehenden Art ist vorwiegend eine hoch entwickelte Funktion zur Anwendung vorhandenen Wissens – darin zweifellos oft dem Menschen überlegen, aber auf absehbare Zeit nicht fähig, unternehmerisches (Voraus-)Denken zu übernehmen.
Wenn du eine gut trainierte KI zu deiner Verfügung hast und detaillierte Dokumentationen erfolgreich umgesetzter Prozessdigitalisierung in vergleichbaren Betrieben, kann dir KI einen soliden Projektplan entwerfen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem effizienten und effektiven Ergebnis führt. Hast du das nicht, wird die KI sich auf verfügbares Wissen stützen – und dies sind beispielsweise die Verkaufsunterlagen der Softwareanbieter sowie nicht immer ganz lupenreine „Rezensionen“, denn Quellcodes der Programmierer finden sich in der Regel nicht in öffentlichen Datenbanken. Nimm dir ein paar Minuten und frage einen beliebigen KI-Assistenten, welches CRM du kaufen solltest!
Ich halte die Anwendungen von künstlicher Intelligenz, die uns derzeit zugänglich sind, für bahnbrechende Hilfsmittel, die mir meine Tätigkeit immens erleichtern. Da ich grafisch unbegabt bin, kreieren DALL-E und Ideogram beispielsweise die Titelbilder meiner Beiträge. Das Lektorat hingegen teile ich auf: sowohl ChatGPT als auch meine Gattin unterstützen mich hier. Wer von beiden kritischer mit meinen Texten ist, könnte ich nicht sagen, aber ich schätze den Beitrag beider sehr in ihrer jeweils eigenen Art. Und das sind nur zwei Beispiele dafür, wie oft und gerne ich KI für mich nütze – jedoch immer „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“.
Zurück zum obigen Beispiel: Folgst du der „Prozessplanung mit HI“ für den Prozess des Check-Out, kann dein Projekt so laufen:
Der Check-Out ist ein unverzichtbarer Kernprozess. In der herkömmlichen Form sowie als digitalisierter Prozess schafft er keinen Mehrwert, sondern erfüllt nur eine spezifische Funktion – die Vereinnahmung der Geldleistung von deinen Gästen. Die bislang effizienteste Methode war, dies an einem zentralen Ort (Hotelrezeption mit physischer Bargeldkasse) zu definierten Zeiten von möglichst wenig Personal „im Akkord“ abzuarbeiten. Der Kosteneffizienz für den Betrieb stehen die Gästeerfahrung des „Schlange Stehens“ und die punktuell hohe Belastung des Personals gegenüber. Die „Schlange“ erzeugt das Gefühl, sich beeilen zu müssen, und führt beim Rezeptionisten zu häufigeren kleinen (Eingabe-)Fehlern und mangelndem Eingehen auf den einzelnen Gast, sowie beim Gast zu flüchtiger oder fehlender Kontrolle der Rechnung.
Das ganze Team – gerne auch dein Freundeskreis! – sammelt Eindrücke, aktuelle Probleme, beobachtete Veränderungen intern und extern, Beispiele von anderen Betrieben und eigene Erfahrungen aus dem Urlaub. Daraus erarbeitet das Team konkreten Bedarf für spezifische Lösungen (wie „manuelle Eingabe der Beträge am Kartenterminal verlangt immer Komma-Null-Null, das wird manchmal vergessen“), aber auch mögliche kreative Zugänge: Team Frühstücksservice plaudert oft und gerne mit Gästen, kann dabei der Check-Out-Prozess bereits begonnen werden? Team Etage würde sich über mehr Gästekontakt freuen, lässt sich die traditionelle Couverture für den Vorabend der Abreise neu erfinden und in den Prozess mehrwertschaffend integrieren? Team Küche beobachtet höheren Wareneinsatz, weil sich Gäste am Frühstücksbuffet mit Jause versorgen – wäre eine Online-„Jausenbestellung“ in Verbindung mit Online-Check-Out für Gäste attraktiv und kann so gleichzeitig Wareneinsatz und Lagerhaltung verbessert werden?
- In Teamevents besucht ihr gemeinsam Produktvorstellungen, Referenzkunden oder befreundete Betriebe und testet Demoversionen. Bei einer besonderen Veranstaltung – gerne auch in Kombination mit deiner Weihnachtsfeier! – entwerft ihr euren Traum einer digitalen Gästereise, wie dieser optimal in deinen Betrieb passen kann und wo er Mehrwert erzeugen soll, wie am Beispiel des Aufdeckens oder der Jausenbestellung. Daraus formulierst du einen professionellen, informativen RFP an ausgewählte Anbieter. Ausgewählte Teammitglieder aus verschiedenen Abteilungen gehen in engen Austausch mit den Finalisten, denn „drum prüfe, wer sich auf 3 Jahre bindet; ob sich das Hirn zum Herzen findet“. Eigene Gäste werden eingeladen, für eine kleine Belohnung einen geplanten Prozess vorab zu testen – was gleichzeitig die Gästebindung fördert. Am Ende wird objektiv beurteilt, ob das Optimum nun gefunden ist – oder man sich noch ein paar Monate Zeit gibt und technische Entwicklungen abwartet. Eine implementierte Lösung ist ein gemeinschaftlicher Erfolg, das ganze Team fühlt sich nicht nur stolz darauf, sondern auch für die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung verantwortlich.
Zwänge hinterfragen
Kennst du GIGO? „Garbage in, garbage out“, also schlechte Funktion aufgrund schlechter Daten oder Parametrierung, ist die Hauptursache dafür, dass uns digitale und künstlich intelligente Hilfsmittel nicht den erhofften Nutzen bringen. Fühlt sich ein Unternehmen unter Zugzwang, Digitalisierung „voranzutreiben“, und unterlässt es sich nicht nur vor Beginn des Projekts, sondern auch laufend mit unternehmerischer Denkweise einzubringen, führt das oft zu Enttäuschung, Ärger und – GIGO! – Bildung falscher Vorurteile. Slogans wie „KI macht das jetzt für dich“ sind nur so weit zu trauen, als der KI das nötige Datenmaterial sowie passende Aufgaben gegeben werden. Und diese werden, ganz wie deine menschlichen Mitarbeiter, von dir angeleitet, evaluiert und gefördert.
Vorteile nützen
Revenue Management ist eines der größten und viel beworbenen Anwendungsgebiete in der Hotellerie. Nutze die durch KI unglaublich leistungsfähig gewordenen Systeme zu deinem größtmöglichen Vorteil, indem du deine ganz individuelle Unternehmensstrategie zum Kern der Lösung machst. Deine „HI“ ist in der Lage, diesen Kern zu prüfen, zu evaluieren, zu hinterfragen, bevor er hinter digitalen Schichten verschwindet, und kann die strategischen Parameter der Automatisierung immer wieder anpassen und erweitern.
Marketing profitiert definitiv von digitalen KI-Lösungen, wenn der menschlich-emotionale Kern authentisch ist – also aus deinem Betrieb, deinem Unternehmertum, deinem Team heraus. Nur die menschliche Intelligenz kommuniziert auf allen Ebenen mit den Menschen, die als Gäste zu dir kommen.
Im operativen Betrieb sind digitale Helfer ein Segen – immer einsatzbereit, lernwillig, günstig und sofort zu bekommen. Aber sie haben ihre Eigenheiten und Beschränkungen, so wie jeder von uns Menschen auch, und brauchen intelligente Führung. Denke an den vielversprechendsten Lehrling, den du je hattest, und ob dieser sein Potenzial hätte entfalten können, ohne die Zuwendung seiner Ausbildner. Bestimmtes Wissen und Fähigkeiten können auch künstlichen Intelligenzen vermittelt werden; je mehr von deiner eigenen „HI“ du dafür investierst, desto größer der Beitrag, den sie zu leisten im Stande sind. Vorausgesetzt, du teilst ihnen die Aufgaben zu, in denen sie brillieren!
In jedem Fall ist es die optimale und individuelle Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz, die zum größtmöglichen Vorteil für deinen Betrieb führt.
Individuell entscheiden
Ob die digitale Transformation voranschreitet, kannst du nicht selbst entscheiden – weder für die Branche noch individuell für deinen Betrieb. Du entscheidest jedoch individuell, wie du daran teilhast und welche individuellen Vorteile du nutzt. Hauptsache, es ist deine eigene, von deiner menschlichen Intelligenz sorgsam abgewogene und bewusst getroffene Entscheidung!
Die Handlungen aller Mitarbeiter sind letztendlich immer die Verantwortung des Unternehmers oder Geschäftsführers. Wieviel Freiraum einem „künstlichen“ Mitarbeiter gelassen wird, ist eine sehr individuelle Entscheidung, ändert aber nichts daran, dass Verantwortung nur von humaner Intelligenz getragen werden kann.
Entschuldigung, du hast einen Beitrag über die neuesten #KI-Anwendungen gesucht? Ich habe mich ganz bewusst entschieden, dieses Thema hier anders zu betrachten, statt mir von meinen geschätzten KI-Assistenten „passende“ Themen „vor-schreiben“ zu lassen. Vielleicht im nächsten Beitrag – schreib mir gerne deine Anregungen dazu!
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